Link kopieren

    10. Dezember

    Vorweihnachtszeit ist Zeit für Geschichten; heute ein von Frank Merken

    „Der Geschichtendieb“

    Unsere Welt wird beherrscht von Gegensatzpaaren - von Gut und Böse. Diese Geschichte handelt von einem Geschichtendieb und dem Schicksal, welches im widerfuhr.

    So wie die grauen Männer in Michael Endes Erzählung „Momo“ den Menschen die Zeit stahlen und die Stundenblumen als Zigarren verpafften, nur um ihr eigenes kümmerlichen Leben zu verlängern. So handelt diese Geschichte von einem Geschichtendieb, der die Ideen anderer Menschen stahl, um sie in seinen Geschichten als eigene auszugeben. Und damit große Erfolge einheimste. Ich hoffe, jetzt kommt niemand auf die Idee und bezeichnet die Gebrüder Grimm als Geschichtendiebe. Die waren Helden,  weil sie die Märchen und Erzählungen sammelten und mit ihrer Dokumentation diese sogar für die Nachwelt retteten. Und auch Frank Goosen und ich sind keine Geschichtendiebe, wenn wir im Zug durch die Lande fahren und anschließend das Gehörte literarisch verarbeiten. Geschichtenklau widerfährt auch schon mal sehr bekannten Autoren. So hat die mit der modernen Vampirgeschichte von Bella und Edward zu Erfolg gekommene Stephenie Meyer bei ihrem geplanten fünften Biss-Roman auch erfahren müssen, dass nicht allen Freunden zu trauen ist. Sie hatte die Manuskripte verschiedenen Freunden zum Redigieren gegeben und mußte dann plötzlich feststellen, dass im Netz auf einmal Teile der Fortsetzung kursierten. Das war das endgültige Aus für die Freundschaft, aber auch das Aus für die Geschichte. Sie hat allerdings weiter geschrieben und erst gerade jüngst noch einmal mit einer neuen Biss-Episode nachgelegt.

    Nein. Diese kleine Geschichte handelt von einem Geschichtendieb,  der es gar nicht nötig gehabt hätte,  die Ideen anderer zu klauen. Aber es ging ihm wie der Frau des Fischers, die nie genug bekommen konnte und immer noch mehr wollte. Unser Geschichtendieb konnte begnadet gute spannende Geschichten schreiben und damit seine Leser richtig toll fesseln. Aber wie es jedem Schriftsteller mal ergehen kann, hatte er eine Flaute und es fiel ihm sogar nichts Passendes mehr ein. Lange Spaziergänge oder Wanderungen wären jetzt erst einmal ein guter Lösungsansatz gewesen. Oder auch Yoga und Autogenes Training.

     

    Aber stattdessen besuchte er mehrere Schreibkurse, was ja auch der Rückkehr seiner eigenen Schreibkraft förderlich gewesen wäre. Wenn er diese nicht zum Ideenklau missbraucht hätte. Denn bei Schreibkursen geht man vertrauensvoll miteinander um. Wenn man die Idee eines anderen Teilnehmers aufgreifen möchte,  holt man sich das O.k. Man geht aber nicht hin und verarbeitet die Ideen anderer in seinen eigenen Geschichten. Das hat unser Geschichtendieb aber getan. Und seine Schreiblockade war wie weggeflogen und die neue Geschichte sprudelte wie von selbst aus der Feder, bzw. stand die Tastatur nicht still.  Nur konnte dies nicht gut gehen. Denn eines Morgens waren die neuen Geschichten im PC wie von Geisterhand komplett verschwunden. Da half es auch nicht, den PC fünfmal neu zu starten. Die Dateien waren weg und blieben verschollen. Und was noch viel schlimmer war. Auch die eigenen Ideen waren weg und dem sonstigen Erfolgsautoren misslang jeglicher Versuch, Wörter zu einem sinnvollen Ganzen zusammenzufügen. Erst nach einer Wallfahrt nach Gent zur Wirkungsstätte des Franz von Sales, dem Schutzpatron der Schriftsteller und Journalisten, sowie einer Pilgerreise nach Santiago de Compostela und einer ordentlichen Spende an ein Haus der Literatur verhalfen dem Geschichtendieb zu einer neuen Blüte seiner kreativen Kraft.

    Natürlich ist dies alles erfunden. Nur Abkupfern geht gar nicht. Diese Erfahrung hat auch schon manch einem Minister das Amt gekostet.